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Die Flüchtlinge waren Fremde in Deutschlands Westen.
Selbst das gleiche Gebetbuch nützte nichts. Sie waren nicht
aus dem Dorf, sie sprachen anders, sie aßen anders – falls sie
etwas zum Essen hatten.
Von einer lieben Freundin
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habe ich gerade eine E-mail
erhalten. Letzte Woche waren meine Roswitha und ich bei
ihr und ihrem Ernst eingeladen. Bei einer hervorragenden
Quiche lorraine
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sprachen wir über das Essen. Ich erzählte
dabei auch von diesem Buch. Danach erzählte sie von ihrer
Kindheit als geborene Ostpreußin und ihrem Schicksal als
Vertriebene. Jetzt schrieb sie mir von einer Mahlzeit, an die
sie sich noch besonders erinnert:
„Wenn beim Bauern geschlachtet wurde (wir hatten nach
dem Krieg zunächst eine Bleibe auf dem Land gefunden) , be-
kamen wir die Kaldaunen.
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Meine Mutter kochte ‚Fleck‘.
Wir wurden im Dorf belächelt. Die Flüchtlinge ‚fressen‘ Ge-
kröse, Abfälle, hieß es. Doch es war eine Köstlichkeit. Tage-
lang wurden die Gedärme gewässert, dann stundenlang
gekocht. Kleingeschnitten in einer leckeren Suppe mit viel
Majoran und eingebrocktem frischem Brot war es für uns
ein Festessen. Zu dieser Zeit wurden übrigens viele Fleck-
lokale eröffnet, in denen sich die Vertriebenen zum Essen
trafen für ganz wenig Geld (1 Teller Suppe = 50 Pfennig) .
"(20)
Die Saarländer hatten es besser. Ab Ende November 1917
konnte man wieder „satt genn“. Die erste Reaktion: Mein
Vater legte sich einen Hund zu,
einen deutschen
Schäferhund. Mit Patriotismus hatte das nichts zu tun. Er
richtete Asta ab zum Polizeihund, und im Nebenberuf
assistierte er meinem Vater beim Zaubern. Er konnte sogar
Eier legen, wenn mein Vater das wollte.
Der Wegfall der Lebensmittelkarten veränderte auch die
Familienplanung meiner Eltern. Das Ergebnis war ich. Am
Morgen des 11. November 1948 kam mein Vater vom Dienst
nach Hause – er war Gendarm im benachbarten Rohrbach –
und ich war schon da. Meiner Zeit voraus. Keine Frühgeburt,
aber pünktlich.
Asta und ich