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Die Freude war groß. Die „schlechten Zeiten“ im Saarland
waren Ende 1947 vorbei. Gourmets, Vegetarier und Figur-
bewusste gab es noch nicht. Die Quantität schlug die
Qualität, und das entsprechende Verhalten hielt sich bei der
Kriegsgeneration noch Jahrzehnte. Selbstverständlich freute
man sich, wenn das Essen auch gut schmeckte, aber noch
wichtiger war es, dass genügend auf dem Teller war.
Noch vor kurzem fragte mich ein älteres Ehepaar nach einer
Einladung, ob ich auch satt geworden sei. Danach erzählten
beide über ein Sternelokal. Da wäre nicht genug auf dem
Teller gewesen. Immerhin: „Es war mol ebbes Anneres.“
Menschen, die einmal hungerten, werden selten Gourmets.
Wichtig ist ihnen, dass der Magen nicht rebelliert. Der
Geschmack ist nebensächlich. Das Erlebnis Hunger erlaubt
es auch nicht, allzu kritisch mit industriell zubereiteten Le-
bensmitteln und Fertiggerichten umzugehen. Da hat sich
wohl etwas in irgendeinem Teil des Gehirns festgesetzt, was
indirekt an die nächste Generation weitergegeben wurde.
Dieses Etwas ärgert die Gourmets und füllt die Läden der
Discounter.
(1)
Der Hunger signalisiert den Menschen und Tieren, dass sie
etwas essen müssen, um ihren Organismus mit Nährstoffen
und Energie zu versorgen. Das ist die biologische Funktion.
Essen ist aber weitaus mehr. Da geht es um sehr viele Aspekte,
nicht zuletzt um den Genuss. Dieser entsteht vor allem durch
das Schmecken, und das wiederum gehört zu den Sinnen, so wie
Hören und Sehen. Und den Umgang damit muss man lernen.
Die anatomischen Grundvoraussetzungen für den Ge-
schmack sind vorhanden, aber angeborene Instinkte spielen
keine allzu große Rolle. Das Erlernen macht‘s. Wer Hören
nicht geübt hat, wird sich bei einem Konzert eines Sympho-
nieorchesters langweilen. Wer sich niemals intensiv mit
Sehen beschäftigt hat, der wird jedes Museum meiden wie
ein Metzgermeister eine Versammlung von Veganern. Und
wer mit Schmecken nie vertraut wurde, der ist schon
zufrieden, wenn der Magen nicht knurrt.
Meistens bevorzugen solche Menschen Kohlehydrate, vor allem
Brot, mittlerweile vielleicht auch Nudeln mit Tomatensoße und
schon mal eine Pizza. Sie werden nicht verstehen, dass Freunde
von einer Bouillabaisse schwärmen oder von einem spanischen
Serrano-Schinken und leuchtende Augen bekommen, wenn sie
vom Besuch eines Sternerestaurants berichten. Wenn man sich
auskennt,
kann man bewusster genießen.
Manchmal
übertreiben es die Feinschmecker.
Doch die meisten
Gourmets lieben auch ganz einfache, aber authentische
Hurra, wir leben noch
Markt in Ruinen